Die körperliche Entwicklung unserer jungen Phasmiden geht jetzt in der kalten Jahreszeit nur noch sehr langsam vorwärts. Bei den recht kühlen winterlichen Temperaturen in unserem Haus meist lediglich um 15°C kommt der Stoffwechsel der Insekten fast vollständig zum Erliegen, und das Intervall von Häutung zu Häutung dauert um ein Vielfaches länger als dies im Sommer der Fall war. Während von unseren Ende Juli geschlüpften Babys bei den damals herrschenden Temperaturen zwischen 18-21°C allesamt bereits im November ihre Adulthäutung hinter sich gebracht hatten (seither konnte ich insgesamt bereits 47 Paarungen dieser Insekten beobachten!), sie alle also nur 4 Monate gebraucht hatten um das Erwachsenenstadium zu erreichen, ist von unseren vier zwischen September und Dezember geschlüpften Nachzügler-Tierchen noch immer kein einziges erwachsen geworden.


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Die ersten Häutungen gehen bei den jungen Tieren meist sehr rasch vonstatten, und da sie bei diesen Dämmerungs- und nachtaktiven Tieren oft in den Nachtstunden unbemerkt vor sich gehen muss ich froh sein, wenn ich wenigstens am Morgen danach noch Reste der abgestreiften Haut an einem Zweig hängend oder bereits auf den Boden gefallen in der Nähe des frisch gehäuteten Tierchens vorfinde. Nun aber wollte es der Zufall, dass ich bei dem zweiten meiner Nachzüglertierchen erstmals den wirklichen Beginn einer solchen Häutung - es handelte sich um die vermutlich siebte Häutung dieser jungen, am 1. November geschlüpften, weiblichen Phasmide - im Detail beobachten und auch fotografieren konnte.


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Ich hatte soeben unseren kleinen Holzofen kräftig eingefeuert, es war also relativ warm im Raum. Da sah ich, dass die noch nicht sehr grosse Phasmide am ganzen Körper leicht zitterte, mit nur sehr feinen Bewegungen, ganz anders als diese so typischen grossen, schaukelnden und wippenden Bewegungen mit welchen diese Insekten im Sinne eines Mimikry ein im Winde schaukelndes Blatt imitieren. Es sah fast so aus, als wolle das Tierchen seine zu klein gewordene Haut irgendwie abschütteln. Diese kleinen aber ausgedehnten Zitter- und leichten Schüttelbewegungen dauerten eine recht lange Weile an, eine halbe Stunde oder sogar länger. Und tatsächlich, grossflächig über den Körper verteilt erkannte ich plötzlich, dass die alte Haut weisslich eingetrübt und ein wenig faltig geworden war, sich offenbar abzulösen begonnen hatte. Im Nackenbereich begann sich dann fast unmerklich der leicht orangefarbene Körper des "neuen", frisch gekleideten Tieres nach hinten hervorzuwölben. Auch am Hinterkopf begann die alte Haut sich langsam abzulösen, lag wie ein trüb-weisslicher Lappen noch über dem Wangenbereich, die Augen verschleierten sich und an den Beinen wurde gut erkennbar, wie das Tier seine Beine aus der durchscheinenden alten Hülle herauszuziehen begann.


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Ein immer grösserer Teil des rückseitigen Thoraxbereiches wurde nun durch die aufgeplatzte rückseitige Öffnung nach hinten herausgestülpt, die neuen kleinen Stummelflügel wurden sichtbar, es war offensichtlich dass sich das Tierchen nur unter allergrösster Kraftanstrengung langsam aus seiner alten Haut befreien konnte. Nachdem nach und nach zuerst das Vorderbeinpaar und die dünnen Fühler, dann die mittleren und hinteren Beine aus der alten Haut herausgezogen waren, hing das Insekt eine ganze lange Weile gänzlich gestreckt und immer länger werdend kopfunter nur noch am hintersten Teil des Abdomens in der Exuvie, welche noch immer sicher und fest an dem Brombeerzweig hing. Und nun kam der letzte Teil der Häutung: Das Tier schwang seinen Vorderkörper nach vorne oben, hielt sich mit seinen Vorderbeinen am Zweig fest und zog nach Kräften langsam auch noch den hintersten Abschnitt seines Abdomens aus der Hülle. Nach und nach streckte sich nun das Tierchen immer länger nach unten, bis es - zunächst noch recht schräg, da es sich nicht ganz gleichmässig aus der Hülle hatte befreien können - immer mehr kerzengerade kopfoben am Zweig hing, nach einer längeren Erschöpfungspause bereit, seine soeben verlassene Exuvie zu beknabbern und damit wertvolle Nährstoffe wieder sich einzuverleiben. Ein wirklich beeindruckendes Erlebnis für mich, nun auch den allerersten Beginn inklusive den gesamten Ablauf einer solchen Häutung miterleben zu dürfen!



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