Silja, unser "Nasentierchen" aus Lilofee's S-Wurf, ist von Anfang an bei uns geblieben. Unser allereinzigster Hund also, der von Geburt an zu unserer Familie gehört. Zum einen faszinierte mich ihr anschmiegsames, ausgesprochen anhängliches Wesen, das dennoch immer wieder auch eine gute Portion Schalk ausstrahlt, zum andern war es auch eine blosse Äusserlichkeit, dass meine Wahl auf diese Hündin gefallen war: Ihr winzig kleines weisses Brustflecklein, womit Silja meinem Traum von einer Dogge gänzlich in blau, ohne jeglichen weissen Fleck, am allernächsten kam von allen elf Welpen. Wir wollten uns die Option offenhalten, Silja vielleicht als zweite Zuchthündin in unsere Doggenzucht zu nehmen, falls alles passen würde. Die weitere Entwicklung zeigte dann aber: Silja würde aus verschiedenen Gründen keine idealtypische Zuchthündin werden, ein solches Kapitel würde es in unserer Zuchtgeschichte nicht geben.


Silja 1


Silja liebte es schon von allem Anfang an, möglichst oft auf den Arm, auf den Schoss genommen zu werden, streckte mir immer wieder ihr Näschen entgegen, berührte so oft und solange wie möglich mit ihrer feuchten Hundenase mein Gesicht, oder versteckte ihr Köpfchen irgendwie schüchtern aber innigst an meiner Brust, als wolle sie sich am liebsten lebenslang nicht mehr aus dieser engen Umarmung lösen. Und dies tut sie noch immer: Sie will einfach möglichst ständig so nah wie möglich sein bei den menschlichen Zuwendungen, jedes Geschwisterchen das sich dazwischen zu schieben versucht ist für sie eine grosse Enttäuschung, unliebsame Konkurrenz, damals schon genauso wie noch heute.


Silja 2


Da wir nebst unserer Silja noch eines ihrer Brüderchen, den unkomplizierten Simeon bei uns behalten hatten, war es Silja's Schicksal, niemals in ihrem Leben wirklich konkurrenzlos die alleinige Zuwendung zu erhalten. Ihr permanenter Kampf um Nähe, Zuneigung und Lob ist zutiefst in ihrem Wesen verwurzelt. Dies macht das Leben für sie, aber auch für uns alle nicht immer einfach. Mit den beiden Welpen gleichzeitig zu Welpen-, Junghunde- oder Erziehungskursen zu fahren, und dann zuerst mit dem einen, danach mit dem andern Geschwisterchen das Training zu besuchen, das war praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn ihr Bruderherz dran war und Silja brav im Auto hätte warten sollen, dann gab sie keine Minute lang Ruhe, sie schrie fast pausenlos nach Leibeskräften und tobte richtiggehend im Auto drinnen. Und genau dasselbe tat sie als wir die Variante versuchten, sie mit auf den Hundeplatz zu nehmen und sie dort in Sichtweite warten zu lassen bis sie an die Reihe kam: Unmöglich, sie mutierte zur Terrorhündin, auch das mussten wir rasch wieder aufgeben. Und noch heute höre ich tagtäglich ihr Geschrei drinnen im Haus, wenn ich mit einigen der andern Hundis einen kurzen Bisi-Spaziergang im Quartier unternehme: Sie jammert fast permanent und lautstark bis wir wieder retour sind!


Silja 3


Der Hunde-Erziehungskurs mit Silja war eigentlich Freude pur, der Erfolg praktisch garantiert. Silja hatte stets nur den einen und einzigen Wunsch, zu gefallen, alles richtig zu machen, Lob zu erhalten und natürlich - immer wieder ein leckeres Guddeli als Bestätigung. Das dumme ist nur: Auch sonst immer, zu hause wie auch während allen unseren Spaziergängen, wann immer und wo immer die Silja steht und geht, IMMER will sie gefallen, immer will sie gelobt und geliebt werden. Sie ist ein richtiges klettiges Schosszipfelmädchen auch jetzt noch im Erwachsenenalter. Kein noch so verführerischer Duft, keine noch so grosse Wiese, kein anderer Hund, nichts aber auch gar nichts ist für sie interessant genug, sich etwas anderem zuzuwenden, sich für etwas anderes zu interessieren, als einfach brav und gänzlich ohne jegliches Kommando stets möglichst nahe bei mir zu gehen, sich wie Klebstoff an meine Fersen zu heften und stets einen halben Schritt hinter oder vor mir möglichst jeden meiner Schritte brav zu kopieren, immer in der Hoffnung auf ein dickes Lob und ein Guddeli. Manchmal ist es wirklich fast zum verzweifeln. Und immer schwingt mein schlechtes Gewissen mit: Jeder andere Hundeführer wäre mit Sicherheit froh und stolz über eine so anhängliche, so brave und folgsame Hündin, nur mich treibt die Silja manchmal fast zur Verzweiflung... auch wenn ich natürlich auf der andern Seite meine so anhängliche, anschmiegsame, so liebe junge Doggenhündin über alles liebe, trotz oder halt eben gerade wegen dieser ihrer grossen "Macke"...


Silja 4


Als unsere Jungdoggen etwa anderthalb jährig waren, kam es zu einem Wechsel in der Rudelzusammensetzung: Der ruhige und anspruchslose Simeon verliess uns, um zu einer befreundeten Familie zu ziehen, während der riesengrosse, anhängliche Simba zu unserem Rudel zurück kam, ein Rüde der mit der allergrössten Selbstverständlichkeit den Königsplatz im Rudel beanspruchte. Die Silja kam also nun sozusagen vom Regen in die Traufe, ihr Kampf um möglichst viel Beachtung wurde noch viel aussichtsloser, ihre Bemühungen um Lob und Zuwendung umso intensiver. Wie oft musste ich daran denken: Die Silja wäre wohl als Einzelhündin in einer möglichst vielköpfigen Menschenfamilie sehr viel glücklicher geworden. So viel Zuwendung wie sie benötigt um wirklich glücklich zu sein, das kann ich ihr als zweibeinige Rudelchefin eines mehrköpfigen Hunderudels nie und nimmer bieten.


Silja 5


Und dann, eines Tages, kam die grosse Wende: Wir mussten schweren Herzens den grossen Simba, unseren Sonnenbub gehen lassen, den langen Kampf um seine kaputten Kniegelenke hatten wir verloren. Und nun stand der Silja plötzlich nichts und niemand mehr vor der Sonne! Die Doggenlady, die sich zeitlebens bis zu diesem denkwürdigen Moment im Schatten ihrer Brüder bewegt hatte, stand auf einmal da ohne Konkurrenz, stand irgendwie auch schutzlos da. Ihr Charakter änderte sich fast schlagartig: Silja mutierte von einem stets irgendwie unscheinbar im Schatten stehenden Hundewesen in eine ziemlich rabiate Wachhündin! Sie begann, fremden Hunden gegenüber eine unverkennbare Verteidigungshaltung einzunehmen. Unsere Silja, die bis dahin stets ohne Leine zuverlässig und durch nichts und niemanden zu erschüttern neben mir lief, begann plötzlich mit gestellter Bürste auf entgegenkommende Hunde loszugehen und diese zu verbellen: Ich war richtiggehend sprachlos als sie dieses Verhalten erstmals zeigte. Ab dem Moment wusste ich, Silja's Zeit der freiwilligen "Freifolge bei Fuss" war definitiv vorbei. Nun brauchte meine zartbesaitete Hündin in derartigen Situationen meine klaren Kommandos, und als Sicherheit die Leine. Rudeldynamik eben, wenn ein Rädchen im Gefüge sich verschiebt, so verschiebt sich oft das ganze Gefüge mit.


Silja 6



Und nun sind wir gespannt, wie sich die Dynamik in unserem mit den beiden jungen Windhunden neu zusammengesetzten Hunderudel weiter verändern wird, und in welche Position sich unser Klettenmädchen Silja neu hineinstellen wird. Wie es das uralte lateinische Sprichwort so schön sagt: "Tempora mutantur, nos et mutamur in illis": Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen!


Silja 7