Ende August endlich, der grosse Tag: Die erste Terraristik-Börse seit langen Monaten findet wieder statt. Schon seit Monaten träume ich nämlich davon, einige hübsche Vertreter einer der wohl faszinierendsten Insektenarten, die ohne Risiko und ohne besondere Bewilligung als Haustier gehalten werden können und dürfen, in meine Obhut zu nehmen: Fangschrecken, besser bekannt als Gottesanbeterinnen, oder Mantiden, sollen erstmals bei uns einziehen!


Helvia 1


Die einzige der rund zweieinhalbtausend bekannten Fangschrecken-Arten die in Mitteleuropa vorkommt, die Europäische Gottesanbeterin (Mantis religiosa), ist streng geschützt und darf weder gefangen noch gehalten werden. Ansonsten handelt es sich bei diesen geflügelten Insekten überwiegend um wärmeliebende Tiere aus den Tropen und Subtropen. Ein wichtiges Auswahlkriterium für mich ist deshalb, eine Mantiden-Art zu finden die sich auch bei üblicher Zimmertemperatur wohl fühlt.


Helvia 2


Seit langem schon fasziniert mich die aussergewöhnlich hübsche Orchideenmantis (Hymenopus coronatus), welche ihren umgangssprachlichen Namen deshalb trägt, weil sie, insbesondere in den Jugendstadien, für das menschliche Auge der bekannten Phalaenopsis-Orchideenblüte täuschend ähnlich sieht. Eine zweite, deutlich seltener gezüchtete Art, die als gelbe Orchideenmantis (Helvia cardinalis) bekannt ist, weil sie als erwachsenes Tier eine wunderschön zitronengelbe Farbe trägt, toleriert auch deutlich kühlere Temperaturen, und ist auch bei Zimmertemperatur gut zu halten. Sie stammt aus Thailand und Malaysia, und sie verträgt nachts auch problemlos relativ kühle 18°: Die ideale Wahl für meine Verhältnisse.


Helvia 3


Gottesanbeterinnen sind kannibalistisch veranlagt, insbesondere die Weibchen, welche deutlich grösser sind als die Männchen, und die schon mal einen unvorsichtigen Verehrer vor oder nach der Begattung verspeisen - es empfiehlt sich deshalb die Einzelhaltung. Ein Züchter dieser Tiere wählt gezielt den idealen Zeitpunkt für die Verpaarung, und trennt die Tiere anschliessend gleich wieder. Für mich als absoluter Neuling in diesen Belangen und ohne züchterische Ambitionen ist die Wahl eines einzelnen weiblichen Tieres also die empfehlenswerte Lösung für den Moment. Also entscheide ich mich für's erste für ein junges, noch nicht erwachsenes weibliches Tierchen der Helvia cardinalis.


Helvia 4


Zuhause, kaum ein wenig eingewöhnt in ihrem frisch eingerichteten Terrarium, überraschte mich die kleine Orchideenmantis mit ihren beeindruckenden Jagdkünsten als aufmerksame und reaktionsschnelle Lauerjägerin, und ihrem schier unersättlichen Appetit. Fliegen und Ofenfischchen hat sie gleich reihenweise gefressen! Und, kaum eine Woche bei uns, kam für mich eine noch viel grössere Überraschung: Das Jungtier hatte sich nicht nur gehäutet, womit ich ja rechnen musste, sondern es war auch gleich die Adulthäutung: Und seither sitzt sie da, nicht mehr hell weisslich mit leicht gelblichgrünem Anflug, mit ihrem jugendlichen, hochgestellten, fast aufgeringelten Abdomen orchideengleich und kaum viel mehr als 2 cm klein, sondern zitronengelb mit langen, zart bräunlich gefleckten Flügeln, gerade und gestreckt gehaltenem Abdomen und einer recht stattlichen Grösse von gut 4 cm Körperlänge: Quasi über Nacht erwachsen geworden!


Helvia 5


Eine Fangschrecke ist in der Lage, Insekten und andere Kleintiere bis zu 2/3 der eigenen Körpergrösse zu überwältigen und zu fressen! Für mich ist es tatsächlich ein mich immer wieder von neuem faszinierendes Schauspiel zu beobachten, wie meine Helvia blitzartig zuschlägt mit ihren geschickten, langen Fangarmen, und danach die grosse, dicke Grille, oder eine der hübschen, bunten, schlanken Wüstenheuschrecken in fester Umarmung und mit doppeltem, sicherem Griff ihrer dornenbewehrten Vorderbeine, Stück für Stück auffrisst, beginnend mit dem Kopf, während sich das Opfer bis fast zuletzt noch immer sehr lebhaft bewegt: Raubschrecken werden sie auch genannt, die Mantiden, und dies völlig zu Recht.


Helvia 6