Beim AufrÀumen in meinen SchrÀnken habe ich sie gefunden: Ein paar grosse, glatt-glÀnzende, eiförmig-ovale, braun-marmorierte Samen. Knapp kann ich mich wieder erinnern: Es handelt sich vermutlich um wohl bereits etwa 20 Jahre alte Samen von einer wunderschönen, riesengrossen Rizinus-Pflanze, die damals in einem grossen Topf in meinem Garten gewachsen war. Die Samen hatte ich so schön gefunden, dass ich ein paar davon aufbewahrt und seither lÀngst wieder vergessen hatte.


Wunderbaum 1


Ich habe mich schlau gemacht und gelesen, dass solche Samen bis zu drei Jahren keimfÀhig bleiben. Dennoch wollte ich das Experiment wagen, und steckte drei dieser ururalten, imposanten Riesenbomber gegen Ende Mai in kleinen Anzuchttöpfen in die Erde - ob sie wohl nach 20 Jahren noch immer keimen können? Und tatsÀchlich: Mitte Juni streckten sich drei dicke, fleischige, rosafarbene StÀngel aus der Erde, und bald darauf konnte ich die grossen KeimblÀtter sehen, wie sie langsam von ihrem krÀftigen, gebeugten StÀngel aus der Erde gezogen wurden: Die Keimung ist erstaunlicherweise bei allen drei Samen nach den langen zwanzig Jahren tatsÀchlich gelungen!


Wunderbaum 2


Da die Rizinuspflanze in allen ihren Teilen giftig ist, wollte ich sie nicht in meinem Garten wachsen lassen, wo jede Ecke jederzeit frei zugĂ€nglich ist fĂŒr mancherlei Kinder, Hunde und Katzen, FĂŒchse, Marder und anders Getier, die an schönen Sommertagen (und -nĂ€chten) zuhauf an unserem Haus und Garten vorbeispazieren und ihre gwundrigen Nasen ĂŒberall hineinstecken - sicher ist sicher, und so bekamen meine Rizinuspflanzen ihren Platz auf unserem sonnigen und luftigen Dachbalkon zugeteilt, welchen sie den ganzen Sommer hindurch mit unseren ChamĂ€leons und Geckos teilten - die Reptilien sicher geschĂŒtzt in ihren luftigen Gaze-Terrarien - ihnen drohte also keine versehentliche Vergiftung.


Wunderbaum 3


Die Rizinuspflanze (Ricinus communis), auch bekannt als Wunderbaum, Hundsbaum oder Christuspalme, gehört zu den WolfsmilchgewĂ€chsen und ist ursprĂŒnglich in den Tropen und Subtropen beheimatet. Dort gedeiht sie als mehrjĂ€hriger, ĂŒber 10 Meter hoher Baum mit verholzendem Stamm, wĂ€hrend sie in unseren, kĂŒhleren und saisonalen Breitengraden als einjĂ€hrige, krautige Pflanze je nach Wachstumsbedingungen etwa 2 bis maximal 4 Meter hoch wird, im Winter ihre oberirdischen Teile einzieht und im FrĂŒhling wieder neu austreiben kann.


Wunderbaum 4


Die Pflanzen wachsen enorm rasch, die dunkelgrĂŒnen bis rötlichen, handförmig gezackten LaubblĂ€tter mit langem, dickem, saftigem Stiel werden gut und gerne 50 cm gross. Die endstĂ€ndigen, traubigen oder rispigen BlĂŒtenstĂ€nde werden im August gebildet und reifen bis im Oktober. Die roten, weiblichen BlĂŒten entstehen in der oberen HĂ€lfte des BlĂŒtenstandes, die weissen bis hellgelben mĂ€nnlichen BlĂŒten entwickeln sich in der unteren HĂ€lfte. Die FruchtstĂ€nde sind rundlich und rundherum mit intensiv roten, weichen langen Stacheln besetzt, und erinnern an die FrĂŒchte von Kastanien.


Wunderbaum 5


Rizinuspflanzen lieben einen warmen, vollsonnigen und möglichst windstillen Standort. Dieses Jahr war leider absolut nicht nach ihrem Geschmack: Regnerisch und kĂŒhl, und immer wieder Starkwindphasen mit heftigen Böen, welche die grossen LaubblĂ€tter immer wieder arg beutelten. Die grossen Pflanzen in ihren voluminösen und sehr schweren Töpfen waren zu schwer, um sie immer mal wieder ins Innere meines Estrichs zu schleppen. Mir blieb also nichts anderes ĂŒbrig, als sie auf allen Seiten an krĂ€ftige StĂŒtzstĂ€be festzubinden.


Wunderbaum 6


Die beiden schönen, grossen und gesunden Rizinuspflanzen, welche ich auf meinem Dachbalkon gepflegt habe, die sind trotz all dieser Widrigkeiten recht gut gediehen und beglĂŒckten mich den ganzen Sommer und Herbst hindurch, wobei ich ganz besonders viel Freude hatte an den wunderschönen und imposanten BlĂŒten- und FruchtstĂ€nden, welche bis weit in den Oktober hinein in intensivsten Weiss- und Rottönen leuchteten. Die dritte, kleinere und mit etwas VerspĂ€tung gekeimte Rizinuspflanze hatte ich, als sie etwa 30 cm hoch gewachsen war, in meinem eingezĂ€unten und sicher abschliessbaren PflanzplĂ€tz in meinem Obstbaumgarten-GrundstĂŒck in die Erde gesetzt in der Erwartung, dass sie hier im tiefgrĂŒndigen Erdboden gute Chancen hĂ€tte, ebenfalls schön und gross heranzuwachsen. Weit gefehlt: Sie wurde leider bereits in den ersten zwei Tagen vollstĂ€ndig von den Schnecken vertilgt.


Wunderbaum 7

Nun hoffe ich auf noch ein paar schöne, sonnige, warme Herbsttage bis Ende Oktober, damit die Rizinus-FrĂŒchte auf meinem Dachbalkon genĂŒgend Zeit bekommen um auch richtig reif zu werden. So könnte ich nĂ€chstes Jahr aus den frischen, diesjĂ€hrigen Samen weitere Exemplare dieser wunderschönen und beeindruckenden Pflanzen ziehen - falls nicht, dann habe ich ja immerhin noch ein paar von den uralten Samen vorrĂ€tig, gut möglich dass diese noch ein weiteres Jahr lang keimfĂ€hig bleiben. Übrigens: Der botanische Name "ricinus" steht fĂŒr "Laus, Ungeziefer", denn die Samen erinnern in ihrer Form an vollgesogene Zecken..




Wunderbaum 8